„Deutschland und das Baltikum eint eine gemeinsame Geschichte.” Die Botschafterin Estlands in Berlin, Dr. Kaja Tael, verwies am 19. April in Wiesbaden bei der Überreichung des Marienlandkreuzes (Maarjamaa Rist) 4. Klasse an den in Estland geborenen Carl-Otto Riesenkampff darauf, dass Esten und Deutsche seit Jahrhunderten zusammengelebt und einander beeinflusst haben. Der 96-jährige Geehrte, der jetzt in Wiesbaden in einem Altersheim lebt und nicht mehr reisen kann, war mit diesen hohen Orden, der nur Ausländern verliehen wird, bereits am 6. Februar anlässlich des estnischen Nationalfeiertags für sein Engagement um die ,,Carl-Otto und Georg Riesenkampff-Stiftung” vom Estnischen Staatspräsidenten Toomas Hendrik Ilves ausgezeichnet worden. Die Stiftung verhilft estnischen Studenten zu einem Praktikum in deutschen Unternehmen. Inzwischen haben 49 Studenten ihr zweimonatiges Stipendium in Deutschland absolviert. In diesem Jahr kommen
vier weitere hinzu.
Die Stiftung war 2001 in Düsseldorf vom 2009 verstorbenen Georg Riesenkampff zusammen mit seinem Vetter Carl-Otto mit einem Anfangskapital von damals 240 000 DM gegründet worden. Kaja Tael erinnerte an den Mitgründer und betonte: „Wie gerne hätte ich heute zwei Orden überreicht.” Carl Otto Riesenkampff ist, wie sein Vetter bis zu dessen Tod, Mitglied der Bruderschaft der Schwarzenhäupter aus Reval. Die Förderung der Studenten lag den Riesenkampffs sehr am Herzen und zudem hat ja auch die Bruderschaft seit ihrer Gründung 1399 die Pflege des kaufmännischen Nachwuchses auf ihre Fahnen geschrieben. Ziel der Stiftung ist unter anderem der weitere Aufbau der Marktwirtschaft in Estland. Dazu seien, wie schon bei der Gründung gesagt wurde, hochqualifizierte Esten notwendig. Das Projekt ist bisher vor allem von Unternehmen im Rheinland unterstützt worden. So von der Maschinenbau-GmbH Gebr. Becker aus Wuppertal, bei der Georg Riesenkampff Geschäftsführer war, und von den Unternehmern Dr. Jochen Kirchhoff und Horst Maier-Hunke, dem Präsidenten der Arbeitgeberverbände in NRW sowie estnischen Honorarkonsul.
Mitglieder der Stiftung, zurzeit vor allem Georg Riesenkampffs Witwe Brigitte, fahren Anfang jedes Jahres nach Dorpat/Tartu, um an der Universität Kandidaten für das Praktikum auszusuchen. Behilflich ist dabei in erster Linie Urmas Varblane, Professor für internationale Wirtschaft in Dorpat/Tartu. Von den 49 Praktikanten sind bisher nur zwei in Deutschland geblieben, die übrigen haben zumeist gute Position in Estland bekommen.
Die Botschafterin unterstrich: „Die Geschichte entsteht nicht nur ausgehend von bedeutenden Persönlichkeiten bei entscheidenden Momenten, sondern sie entwickelt sich ganz unten, sozusagen bei den Grashalmen. Es hängt auch von der Verantwortung und Eigeninitiative jedes Einzelnen ab.“ Dr. Tael erinnerte an die Rede des estnischen Ministerpräsidenten Andrus Ansip, der zwei Tage zuvor bei seinem Besuch in Berlin gesagt hatte: „Deutschland vertritt estnische Ansichten und Estlands Interessen in Europa.” Dank Deutschland sei Estland fest in Europa eingebunden.
Die Stiftung der Riesenkampffs hat nach den Worten Taels vielen estnischen Werkstudenten die Möglichkeit gegeben, bei ihren Praktika in Deutschland ganz neuer perspektiven zu finden. Auf diese Weise sei auch zur Bereicherung „unserer Wirtschaftskultur beigetragen worden“. Wie Ansip in Berlin sagte auch die Botschafterin: „Die Verbreitung dieser Geschäftskultur ist für uns von großer Bedeutung, wichtiger als jegliche Investition oder gegründete Unternehmen.“ Und noch etwas hob sie hervor, nämlich den „Beitrag der Riesenkampff zur Weitergabe und Entwicklung der deutschen Sprache unter den Esten”.
Tael erwähnte auch, dass Carl-Otto Riesenkampff noch in Estland die erste estnische Republik kennengelernt und im Herzen nie die alte Heimat verlassen habe. Deshalb habe er sich bei seinen Aktivitäten auch auf die Bruderschaft der Schwarzenhäupter bezogen, die für jeden in Estland ein Begriff sei.
Helmuth Baron v. Schilling
19.04.2013